Vom Lokführer, der die Liebe suchte

Filmtipp von Rainer (Casa-Programmgruppe)

Sie sind der Meinung, dass heutzutage in den Filmen viel zu viel gequatscht wird und sind der ewigen Beziehungsdialoge rauf und runter leid ? Sie meinen, dass sich ein wirklich guter Film sich lieber auf seine ästhetischen Qualitäten besinnen sollte, auf seine Bild- und Zeichensprache, auf Musik und Ton? Sie möchten mal wieder einen deutschen Film sehen, der sich darauf besinnt ?

Dann sind Sie bei Veit Helmer richtig. Der verdient mal wirklich den Namen Ausnahme-Regisseur, denn bei seinen Filmen steht nicht die eigentliche Geschichte im Vordergrund, sondern deren visuelle Umsetzung – und die geht auch völlig ohne Dialoge ! Das hat Veit Helmer bereits bei seinem hochgelobten Debutfilm „Tuvalu“ bewiesen, für den er vor einigen Jahren den bayerischen Filmpreis für Regie und den Publikumspreis beim Max-Ophüls-Festival bekam. Der Film war durchaus ein Wagnis, denn Kino-Zuschauer sind es nun mal  nicht gewöhnt, dass nur über Mimik und Körpersprache kommuniziert wird. Aber wer ihn gesehen hat, wird ihn in Erinnerung behalten.

Und freut sich nun auf den „Lokführer“, in dem gerade mal zwei Worte gesprochen werden. Mehr ist auch nicht nötig, um diese Geschichte zu verstehen. Sie spielt in einem Randbezirk von Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Ein alternder Lokführer, der tagein, tagaus auf einer Kleinspurbahn durch enge Wohnsiedlungen unterwegs ist, steht im Mittelpunkt. Der findet eines Tages einen auf seiner Wegstrecke liegenden BH, der offenbar von einer kurzfristig abgehängten Wäscheleine gefallen ist. Der Film erzählt davon, dass er den er seiner rechtmäßigen Besitzerin zurück geben will. Kein Wunder, dass bei dieser Geschichte ein paar Komplikationen vorprogrammiert sind.  Aber der Film wird nie schlüpfrig, hält sich auch in „pikanten“ Situationen diskret zurück.

Helmers Filmkunst besteht darin, durch das Spiel seiner Darsteller, durch Geräusche und Musik dem Film so viel Leben einzuhauchen, dass der Zuschauer nach einiger Zeit gar nicht mehr merkt, dass ihm etwas fehlen könnte (nämlich die Dialoge). Und diese Leistung ist nicht hoch genug einzuschätzen, denn in einer Zeit, in der insbesondere amerikanische Mainstreamfilme mit hohen Schnittfrequenzen um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen, ist dieser Film ein „altmodisches“ Unikat. Er entfaltet seine Poesie quasi nebenbei, lässt den Zuschauer Zeit und Ruhe, das etwas verschroben wirkende  Figurenarsenal kennen zu lernen, bietet leisen Situations-Witz statt vordergründiger Schenkelklopfer.

Sie glauben, dass der deutsche Film nicht innovativ sein kann ? Lassen Sie sich eines besseren belehren…

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