Queerfilmnacht im April 2023: Monat der lesbischen Sichtbarkeit

von Marlene Hofmann

Im Rahmen des Tages der lesbischen Sichtbarkeit, zeigen wir zusammen mit dem Filmverleih Salzgeber 4 Filme um und mit sapphischer Liebe. Ein willkommener Anlass sich hier kurz mit der Entwicklung des „lesbischen Films“ zu befassen.

Eine umfassende Chronologie und Geschichte über den lesbischen Film zu schaffen, sprengt den Rahmen des redaktionellen Teils des Flyers, aus diesem Grund überreißen die folgenden Zeilen die Historie knapp.

Was vielleicht überraschen mag, bereits im frühen Film finden queere Frauen ihren Platz. In der Frühform verstanden sich die Filme mehr im Sinn einer Attraktion auf dem Jahrmarkt, und unterscheiden sich signifikant von dem narrativen Medium, dass wir heute kennen. Um Zuschauer zu gewinnen, wird ähnlich, wie in einem Varietétheater auf das Außergewöhnliche, das Skurrile und das Fremde gesetzt.

Darunter auch Frauen, die sich als Männer verkleiden („Making a man of her“ (1912) / „A Florida Enchantement“ (1914) / „Ich möchte kein Mann sein“ (1918)). Hier geht es jedoch nicht um ein offenes queeres Narrative, sondern viel mehr um das offene Spektakel, dass sich aus der scheinbaren Komik erschließt. Schon gar nicht geht es um das Hinterfragen von Geschlechtsidentität und Heterosexualität.

Nach der Weltwirtschaftskrise zum Ende der 1920er Jahre, wurde es zunehmend schwerer, Publikum in die Kinosäle zu bringen. Eine beliebte Lösung der Filmemacher war durch groteskes, sexualisiertes und blutrünstiges Kino möglichst große Massen an Menschen wieder für Film zu begeistern.

Unter „problematischen Darstellungen“ von Sexualität zählt hier selbstverständlich auch Homosexualität  Zum Beispiel der erste Kuss zweier Frauen auf Film, in dem Epos „Manslaughter“ (1922) der als Teil einer Orgien-Szene, nicht für sexuelle Freiheit, sondern sinnbildlich für den moralischen Verfall des römischen Reiches steht. Eine Symbolik die der Regisseur, Cecil B. DeMille, ebenfalls in „The Sign oft the Cross“ wiederholt. Herausstechend hier die Penetranz der Szene, in der die boshafte Römerin versucht die gute Christin von sich zu überzeugen.

Unser erster Film der Reihe, der durch seine offene Geschichte, um lesbische Liebe und Zuneigung herauszuheben ist, ist „Mädchen in Uniform“ aus dem Jahr 1931. Der auf dem Roman „Das Mädchen Manuela“ basierende Film, behandelt die Zuneigung einer 14-jährigen Waisen zu ihrer Lehrerin und die Folgen des repressiven preußischen Erziehungssystems. Die Zuneigung zweier Frauen wird zu dem zentralen Thema des Films, obwohl eine große moralische Einordnung dessen wegfällt.

Wenn auch die manische Liebe gegenüber der Lehrerin am Ende nicht unbestraft belieben soll. Zu erwähne ist dass, „Mädchen in Uniform“ zwar einer Zensur durch das NS-Regime nicht ausweichen konnte, dieses Verbot ist jedoch durch die Kritik an Autorität und Disziplin und nicht durch die Beziehung der weiblichen Charaktere zu erklären. Das spricht nicht für eine Offenheit gegenüber der Liebesbeziehung zweier Frauen, sondern vielmehr über eine Minderbewerten der weiblichen Sexualität.

Aber auch in der mittlerweile führenden Filmnation, den USA, kommt es zu Zensuren in der Filmbranche, durch das Verfassen eines Codex der moralisch richtige Bildinhalte normativ festlegen möchte. Grund dafür ist Kritik der Regierung und Boykottversuchen religiöser
Gruppen. Der Hays Codex ursprünglich als eine Liste von Don‘ts und Be Carefulls, zur Selbstkontrolle von Filmschaffenden verfasst, wird 1934 schlussendlich verschärft und als allgemein gültige Kontrollinstanz eingeführt. So verschwanden mit dem Verschärfen des Hays-Code, 1934 die Marlene Dietrichs, die in Anzügen gekleidet Frauen küssten und die Greta Gabos, die stolz nach dem Kuss mit einer Frau ihre Unabhängigkeit von Männern deklarierten.In den 1950er Jahre verlor der Codex zunehmend an Bedeutung, so wurde er an neue Werte und Normen angepasst, um immer noch einen Sinn von Kontrolle in einer immer liberaler werden Gesellschaft beibehalten zu können.

Das bedeutet jedoch nicht, dass lesbische Liebe viel Platz in der Kinolandschaft einnimmt. Vor allem bedeutet es jedoch nicht, dass Homosexualität befreit von Stigmata verfilmt wurde.

In „The Childrens Hour“ (1961), erhängt sich die Protagonistin, aus ihrem Ekel vor sich selbst und ihrer Zuneigung zu Frauen heraus. Der Stereotyp einer psychisch labilen Frau, die von einer krankhaften und schandhaften Besessenheit mit dem selben Geschlecht geplagt ist etabliert sich schnell. Lesben müssen leiden und gehen an ihren eigenen sexuellen Bedürfnissen zu Grunde.

Neben diesem Bild der im Unglück endenden Frau, bildet sich auch das Bild der boshaften nicht heteronormativen Frau. Die boshafte Vampirin aus „Draculas Daughter“ (1936) ist ein Vorreiter für die monströse Frau, die das Fleisch andere Frauen begehrt. In „House on 92nd Street“ (1945) wird diese Perversion mit einer Frau, die sich als Nazi verkleidet auf einen Höhepunkt gebracht.

Es muss nicht erwähnt werden, dass diese moralisch verkommen Frauen/ Monster, eine gerechte Strafe erhalten. In den 1960er und 1970er Jahren und mit der sexuellen Revolution, nimmt die Darstellung von sapphischer Liebe im Film zu. Von einer aufrichtigen oder gar fassettenreichen Darstellung kann nur sehr bedingt gesprochen werden, wenn auch die Perspektive auf Homosexualität sich in der Zeit
nachhaltig verändert. Das Aufleben an Sexploitation-Filmen prägt die Darstellung von lesbischen Charakteren.

Lesben waren jetzt nicht nur Monster, sondern ebenfalls sexuell aufreizende Monster, verdeutlicht an den rapiden zunehmenden lesbischen Vampir-Sexploitation-Filmen („Et Mourir de Plaisir” (1960) , „Les lèvres rouges“ (1971)). Dabei steht der sensationelle Wert des Sexuellen zwischen zwei Frauen klar im Vordergrund (zu mal die Filme fasst ausschließlich von einem männlichen Auge für das männliche Auge produziert worden sind).

In den späten 1980er Jahren und frühen 1990er Jahren entsteht eine große Bandbreite an Low Budget-Filmen von queren Regisseuren*innen aus Amerika, die bis heute für ihre nuancierten und realistischen Darstellungen der Queeren Community gelobt, geliebt und gefeiert werden.

Die Filmkritikerin B. Ruby Rich etablieret als Sammelbegriff für eben diese Filme die Bezeichnung „New Queer Cinema“ (zu dem auch unser Cinema della Casa-Film aus dem März “Paris is Burning” gehört). Durch das Hinterfragen von Normen, dem Ansprechen von Tabus schafft es das New Queer Cinema, kulturelle Konversationen zu starten und mehr Platz für inklusive Narrative in der Mainstream Filmwelt zu schaffen.

Die unterschiedlichsten Zugänge zur lesbischen Identität lassen sich auch im Kino außerhalb der Vereinigten Staaten und in den 3 weiteren Filmen der Reihe finden. „Die Jungfraumaschine“ (1988) erzählt über eine faszinierende Recherchereise über die „romantische Liebe“. Der Klassiker des lesbischen Kinos „When Night is Falling“ beschriebt die turbulente Beziehung zweier Frauen aus unterschiedlichsten Lebenssituationen. „Fucking Åmål“ (1998) wiederum erzählt als Coming of Age Drama, über Sehnsucht, Schmerz und die erste Liebe. Betrachtet man die die heutige Kinolandschaft, lassen sich eine Vielzahl an, von Kritiker und Zuschauern geliebte, Filme rund um lesbische Frauen finden.

Das sensible und feinfühlige Kostümdrama „Portrait einer jungen Frau in Flammen (2019), der Regisseurin Céline Sciamma und zuletzt das ambivalente Bild einer Dirigentin in Lydia Tár (Tár 2023), verdeutlichen die breit aufgestellten Bilder lesbischer Frauen im zeitgenössischen
Film. Vergessen werden sollte jedoch nicht, dass mit dem quantitativen Anstieg an lesbischen Filmen kein qualitativer Anstieg an Geschichten einhergeht.

Wie sich die Repräsentation von lesbischen Figuren im Film weiterentwickelt, lässt sich jedoch noch schwer bestimmen, da neben den vielen positiven Beispielen, der männliche und cis-normative Blick auf Frauen und ihre Sexualität die Filmlandschaft weiter hin dominiert.

Denn Film war schon immer mehr als ein reines Medium der Unterhaltung. Wie wir darstellen, wie wir erzählen, ist nicht nur Spiegel unserer Gesellschaft, sondern auch immer auch gestaltende Determinante unserer Lebenswelten. Geschichten, darunter auch der Film bestimmen mit, wie wir unsere Gesellschaft hinterfragen, kontextualisieren und definieren.

Lasst uns gemeinsam, die Filme schauen und zelebrieren die provozieren, hinterfragen und neue Horizonte einer diversen lesbischen Sichtbarkeit öffnen.